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Serie

Das vertrackte "Warum": Vereinfachende Erklärungen vermeiden und nuancierter berichten

Manche psychologischen Prozesse führen Menschen zu voreingenommenen Schlussfolgerungen, wenn sie Ursachen von Ereignissen und Verhaltensweisen benennen. Warum ist das so - und wie können Journalistinnen und Journalisten zu differenzierteren Erklärungen kommen? Teil 4 der Artikelserie "Psychologie im Journalismus".

Von Margarida Alpuim und Katja Ehrenberg

Ein Wesen betrachtet sich im Spiegel

Einleitung

Denke an den Beitrag, die Du zuletzt veröffentlicht hast. Erinnerst Du Dich an den Auslöser für die Recherche? Oft ist der Ausgangspunkt eine "Warum"-Frage: Warum unterstützen die Wählerinnen und Wähler diesen Kandidaten? Warum fliehen Menschen aus ihren Heimatländern? Warum kamen bei diesem Vorfall so viele Personen ums Leben? Die Antworten auf solche Fragen helfen Medienschaffenden und ihrem Publikum, sich einen Reim auf die Welt zu machen und das Gefühl zu haben, dass sie im Leben gut informierte Entscheidungen treffen.

In diesem Artikel aus der Reihe "Psychologie im Journalismus" untersuchen wir, wie das Bewusstsein für psychologische Prozesse Journalistinnen und Journalisten bei der Erklärung von Verhaltensweisen und Ereignissen helfen kann ...

  • besser zu erkennen, wann eine Person möglicherweise in ihren Erklärungen voreingenommen ist

  • bei Interviews mit Menschen mehr in die Tiefe zu gehen

  • die Beweggründe für die Meinungen und Einstellungen von Menschen nachvollziehen zu können und bei der Berichterstattung eine differenziertere Darstellung zu entwickeln

  • über die Frage nach dem "Warum" hinauszugehen und Geschichten mit einem lösungsorientierten Dreh hin zu "Was jetzt" und "Wozu" zu erweitern.

Kausalattribution in aller Kürze

Es liegt in der Natur des Menschen, in trivialen Alltagssituationen (jemand drängelt sich in einer Warteschlange vor) oder bei kritischeren Ereignissen (eine Überschwemmung oder politische Unruhen) nach Gründen zu suchen, warum etwas passiert oder warum Menschen tun, was sie tun. Die Kognitionspsychologie nennt diesen Prozess "Kausalattribution": eine Erklärung für ein Ereignis oder ein Verhalten zu finden - eine Ursache zuzuschreiben. Den Attributionstheorien zufolge geben die Menschen der Welt auf diese Weise Sinn und erhalten sich selbst ein Gefühl von Kontrolle und Vorhersagbarkeit im Leben, das ihnen unter anderem hilft, sich gut auf zukünftige Ereignisse vorzubereiten (1).

Wie wir aber alle wissen, können unterschiedliche Menschen sich ein und dasselbe Ereignis oder Verhalten sehr unterschiedlich erklären. Wie kommt das?

In einer perfekten Welt würden Menschen einem Ereignis oder Verhalten erst nach sorgfältiger Prüfung aller verfügbaren Informationen eine Ursache zuschreiben. Wir wissen jedoch, dass dies nicht der Fall ist - Menschen nutzen mentale Abkürzungen, um sich ein Bild von der Welt zu machen. Dies ist eine sehr wichtige Anpassungsfähigkeit, da es nicht möglich wäre, ständig sämtliche Aspekte und Einflussfaktoren zu berücksichtigen (2). Beim Füllen von Informationslücken im Prozess der Kausalattribution unterliegen Menschen jedoch unbewussten psychologischen Mechanismen, die zu kognitiven Verzerrungen führen (3). Die Forschung hat in den letzten Jahrzehnten eine Reihe dieser Verzerrungen identifiziert und systematisiert. Im Folgenden werden wir einige der wichtigsten (fundamentaler Attributionsfehler, selbstwertdienliche Attributionsbiases und Täter-Opfer-Umkehr) erörtern und ausführen, warum sie für die journalistische Arbeit relevant sind.

Der fundamentale Attributionsfehler

Der fundamentale Attributionsfehler ist eine der am besten untersuchten und grundlegendsten Verzerrungen bei der Kausalattribution. Wenn Menschen sich das Verhalten anderer erklären, neigen sie dazu, den Einfluss persönlicher Faktoren (z. B. Charaktereigenschaften, Fähigkeiten, Überzeugungen) zu überschätzen und situative Einflussfaktoren (z. B. Kontext, Rolle, Zeitdruck, gesellschaftliche Normen) zu übersehen oder herunterzuspielen, wie: "Der Politiker hat während des Interviews gestottert, weil er inkompetent ist"; selbst wenn die Situation sehr stressig und die Frage schlecht gestellt war (3, 4).

Warum ist das so?

Einer der Gründe für den fundamentalen Attributionsfehler ist, dass der "Protagonist" einer Handlung bei der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung mehr hervorsticht und so mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht, während die situativen Faktoren eher nur die „Kulisse“ für das Ereignis bilden oder vielleicht von außen gar nicht erkennbar sind (5).

Wenn wir außerdem glauben, dass jemand allein aufgrund seiner Persönlichkeit auf eine bestimmte Weise handelt (wie der "unfähige Politiker" oder die „rücksichtslose Person“, die sich vordrängelt), wird die Welt berechenbarer, was uns ein Gefühl psychologischer Sicherheit vermittelt. Wenn wir hingegen das Verhalten von Personen auf ein komplexes Zusammenspiel variabler Situationsfaktoren zurückführen, können wir in keiner Weise verallgemeinern oder Vorhersagen für die Zukunft treffen, sondern müssen alle Informationen jedes Mal aufs Neue auswerten.

Im Abschnitt "Tools und Tipps" findest Du spezifische Strategien, um die Auswirkungen des fundamentalen Attributionsfehlers zu erkennen und dieser Verzerrung aktiv vorzubeugen.

Selbstwertdienliche Attributionsbiases

Menschen neigen dazu, ihre eigenen Erfolge mit internen Eigenschaften zu rechtfertigen ("Ich habe im Fernsehinterview eine prägnante Aussage gemacht, weil ich ein kompetenter Experte bin") und ihr eigenes Versagen mit Faktoren aus dem Kontext zu erklären ("Ich habe den Faden verloren und gestottert, weil die Situation zu diesem Zeitpunkt völlig unklar und die Frage des Journalisten schlecht formuliert war") (z. B. 6). Das geschieht, weil Menschen das Bedürfnis haben, sich selbst in einem positiven Licht zu sehen, um ihr Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten oder zu steigern (7).

Das gilt auch für Journalistinnen und Journalisten. Zum Beispiel könnte die Tendenz zu selbstwertdienlichen Attributionen sie davon abhalten, die eigene Professionalität kritisch zu prüfen, wie z. B.: "Habe ich bei meinen Recherchen die Rosinen herausgepickt und Beispiele für das Verhalten des Protagonisten in anderen Situationen vernachlässigt?"; "Habe ich meine Fakten und die Richtigkeit der von mir verwendeten Begriffe sorgfältig genug überprüft?"; "Hat es sich auf meine Berichterstattung ausgewirkt, wenn das Thema meinen persönlichen Werten oder Überzeugungen nicht entsprochen hat?" Wenn Medienschaffende sich auf einen vulnerablen Austausch zu ihrer Berichterstattung einlassen und sich regelmäßig in Selbstreflexion üben, werden sie einen kritischeren Journalismus praktizieren und manchmal sogar auf Aspekte stoßen, auf die sie sonst nicht gekommen wären.

Selbstwertdienliche Attributionsverzerrungen treten nachweislich auch in Gruppen auf – als gruppendienliche Verzerrungen (8). Politische Wahlen sind eine exemplarische Situation, in der Menschen typischerweise die Erfolge "ihrer" Partei mit deren Sachkompetenz und gutem Wahlkampf, also Verdiensten als internen Faktoren erklären, und Misserfolge über unverschuldete, externe Faktoren rechtfertigen, z. B. "Unsere Partei hat gewonnen, weil wir die Pandemie gut bewältigt haben"; "Unsere Partei hat Stimmen verloren, weil wir uns wegen des Kriegs wirtschaftlich in der Krise befinden". Das Gegenteil gilt für Gruppen, denen man nicht angehört – Misserfolg ist hier selbstverschuldet, Erfolg hingegen durch äußere Faktoren bedingt. Starke selbstwertdienliche Attributionen auf Gruppenebene dieser Art zeigen sich typischerweise im Sport (9): "Die gegnerische Mannschaft hat verloren, weil ihre Verteidigung schwach ist" oder "Sie haben das Spiel nur gewonnen, weil der Schiedsrichter parteiisch gepfiffen hat".

Beim Verfassen von journalistischen Analysen kann dieses Wissen beispielsweise hilfreich sein, um Ereignisse, Verlautbarungen oder Zusammenhänge valider einordnen zu können. Bei der Darstellung von Meinungen innerhalb von Gruppen (Parteien, Bürgerorganisationen, Berufsverbänden usw.) sollten Journalistinnen und Journalisten insbesondere darauf achten, wie und warum Entscheidungen innerhalb der kollektiven Struktur getroffen werden, um irreführende Zuschreibungen an einzelne Mitglieder zu vermeiden.

Nehmen wir folgendes Beispiel: Anfang November 2022 trat der Generalsekretär der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP), Jerónimo de Sousa zurück, nach 18 Jahren an der Spitze der PCP. Einige Tage später gab die Partei bekannt, dass der neue Vorsitzender, Paulo Raimundo, "einstimmig gewählt" worden sei. Dieser Ausdruck wurde in den Medien weitgehend zitiert, in einigen Fällen, wie in diesem Artikel von Rádio Renascença, ohne klare Hintergrundinformationen. Allerdings gibt es in der PCP (wie in manchen anderen Systemen) keine internen allgemeinen Wahlen, wenn eine neue Führung gesucht wird. Die Abstimmung findet nur innerhalb des Zentralkomitees statt. Die in Medien vielfach zitierte Formulierung konnte den Eindruck erwecken, dass alle Parteimitglieder hinter dieser Entscheidung standen und dass es innerhalb der Partei keine Opposition gab.

Bei der Wahlberichterstattung könnte ein besseres Verständnis und eine präzisere Darstellung von Entwicklungen (einschließlich Abstimmungsprozessen und deren Hintergründen) dabei helfen, ein nuancierteres Bild der politischen Realität abzubilden.

Ein weiteres relevantes Thema im Zusammenhang mit der Urteilsbildung über soziale Gruppen ist die automatische Zuschreibung allgemeiner Merkmale zu bestimmten Gruppen. Auf die psychologischen Grundlagen von Stereotypen und Vorurteilen, auf Folgen und auf Strategien gegen entsprechende Effekte werden wir im Rahmen der Serie zu einem späteren Zeitpunkt eingehen – Du kannst Dich hier für unseren Newsletter anmelden, um über neueste Veröffentlichungen informiert zu bleiben!


Kulturelle Unterschiede

Die oben beschriebenen Attributionsmuster wie der fundamentale Attributionsfehler sind vor allem in westlichen Ländern (Europa und USA) zu beobachten, in denen die Kulturen überwiegend individualistisch geprägt sind. In eher kollektivistischen Kulturen, wie in asiatischen und südamerikanischen Ländern, treten diese Effekte weniger stark bis gar nicht auf (10). In diesen Ländern sehen sich die Menschen ganzheitlicher in ihre soziale Gemeinschaft und den allgemeinen Kontext eingebettet und neigen entsprechend weniger dazu, situative Einflussfaktoren auf Verhalten oder Ereignisse zu unterschätzen (11).

Außerdem sind in kollektivistischen Kulturen selbstwertdienliche Ursachenzuschreibungen auf persönlicher wie auf Gruppenebene in der Regel deutlich geringer ausgeprägt als in individualistischen Kulturen - die Menschen legen weniger Wert auf die Steigerung ihres Selbstwerts und betonen eher die Dankbarkeit gegenüber unterstützenden Personen oder Umständen, die ihnen zum Erfolg verholfen haben (12). In dem Maße, in dem Gesellschaften kulturell diverser werden, wird ein verantwortungsvollerer Journalismus berücksichtigen müssen, wie Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen eine gegebene Situation erklären. Darüber hinaus wird es interessant sein zu sehen, wie sich Migrationsbewegungen und Globalisierung auf bisher beobachtete kulturelle Unterschiede auswirken.

Victim Blaming: Täter-Opfer-Umkehr

Zu den kausalen Attributionsverzerrungen gehört auch das Victim Blaming, bei dem sich die Erklärung für ein negatives Ereignis besonders stark auf persönliche Faktoren fokussiert. Von Victim Blaming oder Täter-Opfer-Umkehr sprechen wir, wenn jemand auf ein negatives Ereignis wie ein Verbrechen reagiert, indem er dem oder den Opfer(n) die wesentliche Verantwortung zuschreibt (13) - beispielsweise, dass jemand beraubt wurde, weil er oder sie nicht vorsichtig genug war; dass Opfer von sexueller Belästigung oder Vergewaltigung selbst schuld sind, weil sie während des Übergriffs nicht vom Tatort geflohen sind; dass Transgender-Personen angegriffen werden, weil sie andere durch ihr Aussehen provozieren, oder dergleichen.

Victim Blaming geschieht, weil

  • es kognitiv einfacher und weniger ressourcenintensiv ist, schnelle Annahmen über die betroffene Person zu treffen, statt sich mit in der Regel komplexeren Faktoren wie den spezifischen Umständen oder sozialen Rahmenbedingungen zu befassen (14).

  • es emotional belastend ist zu akzeptieren, dass es Ungerechtigkeiten gibt und dass Menschen manchmal Leid widerfährt, ohne dass sie dafür irgendetwas getan haben (15). Dies gilt insbesondere für Menschen, die einen starken "Glauben an eine gerechte Welt" (16) haben, die also überzeugt sind, dass jeder bekommt, was er verdient, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne

  • es den Menschen ein Gefühl von Kontrolle über ihr Leben gibt und eine Illusion der Unverwundbarkeit aufrechterhält ("Selbst schuld. Ich würde das nie tun, also kann mir das auch nicht passieren") (17).

Journalistinnen und Journalisten sollten sich darüber bewusst sein, dass die Täter-Opfer-Umkehr die Stigmatisierung oft ohnehin benachteiligter Gruppen perpetuiert und Menschen daran hindert, Empathie zu entwickeln und hilfreich zu handeln. Ein wichtiger erster Schritt, um Victim Blaming in der Berichterstattung entgegenzuwirken, besteht darin, in Recherchen sorgfältig zu differenzieren, welche Verhaltensweisen tatsächlich schädlich waren - ist es das schädliche Verhalten, persönliche Gegenstände unbeaufsichtigt zu lassen oder zu stehlen? Ist es nicht zu fliehen oder der Übergriff? Ist es ein Kleidungsstil oder eine Attacke? Sobald diese Differenzierung klar ist, können Journalistinnen und Journalisten stringentere Entscheidungen in Bezug auf den Fokus einer Meldung treffen, einschließlich Sprache und Grammatik.

Nehmen wir zum Beispiel die Schlagzeile: "Betrunkene Frau auf einer Party vergewaltigt". Diese Schlagzeile ist ein fiktives Beispiel, aber sie ist repräsentativ für viele reale Fälle, da Victim Blaming im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen sehr verbreitet ist. In diesem Satz liegt der Schwerpunkt auf der Frau, obwohl das schädigende Verhalten die Vergewaltigung ist - und der Angreifer wird nicht einmal erwähnt. Darüber hinaus wird die Tatsache hervorgehoben, dass die Frau betrunken war, was in keiner Weise das Verhalten des Täters relativiert oder entschuldigt.

Zu anderen Umständen, die nachweislich das Victim Blaming nach einer Vergewaltigung verstärken, gehören Fälle, in denen das Opfer den Täter kennt (Familienmitglied, Freund, Arbeitskollege) und in denen keine körperliche Gewalt angewendet wurde (17). Im obigen Beispiel würde eine Alternative ohne Victim Blaming die aktive Rolle des Angreifers bei der Vergewaltigung der Frau zum Ausdruck bringen. Die Formulierung macht einen großen Unterschied, wie am ursprünglichen Beispiel deutlich wird: "Betrunkene Frau auf einer Party vergewaltigt" vs. "Mann vergewaltigt Frau auf Party".

Jede Nachricht, die ohne Schuldzuweisung an Opfer auskommt, macht einen Unterschied, da sie dazu beiträgt: 1) dass mehr Opfer sich ermächtigt fühlen, über ihre eigenen Erfahrungen zu berichten, ohne Angst haben zu müssen, selbst beschuldigt zu werden; 2) dass Täter für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden; und 3) dass das Publikum mehr Empathie für die Opfer aufbringt und ein besseres Verständnis für die strukturellen Rahmenfaktoren gewinnt, die Gewalttaten mitbedingen.

Victim Blaming wirkt sich auch auf die Wahrnehmung ganzer Gruppen aus, z. B. "Obdachlose leben auf der Straße, weil sie jede Hilfe ablehnen", "arme Menschen sind faul", "Arbeitslose wollen gar nicht arbeiten", usw. Entsprechend wichtig ist es, die Narrative über strukturelle, gesellschaftliche Umstände zu ändern, z. B. die Auswirkungen sozioökonomischer Ungleichheiten bereits auf Kinder und Jugendliche zu berücksichtigen.

Tools und Tipps für Journalistinnen und Journalisten

Beginne mit einem Moment der Selbstreflexion:

  • Denke über die Gruppen nach, über die Du berichtest, und überlege, ob Du einer dieser Gruppen angehörst oder mit ihnen sympathisierst.

  • Wenn Du dem Verhalten von Gruppen, mit denen Du Dich tendenziell identifizierst, Ursachen zuschreibst, überlege, ob selbstwertdienliche Attributionsmuster Dein Urteilsvermögen beeinträchtigen könnten.

  • Vermeide den fundamentalen Attributionsfehler, indem Du die besonderen Rahmenbedingungen eines Ereignisses oder Verhaltens explizit berücksichtigst: Wenn Du sicher bist, dass die Gründe im „Wesen“ von etwas oder jemandem liegen, hinterfrage, ob das über Zeit und Raum hinweg stabil ist. Wie hat sich diese Person in vergleichbaren anderen Situationen verhalten? Wie sind vergleichbare Ereignisse abgelaufen?

Wenn Du recherchierst und Deinen Beitrag erstellst:

  • Achte darauf, ob Menschen persönliche im Vergleich zu kontextuellen Einflussfaktoren überbewerten - und ob sie ihre eigenen Handlungen oder die Handlungen einer anderen Person erklären.

  • Achte bei der Erklärung von Handlungen einer Person sowohl auf situative Elemente als auch auf individuelle Merkmale und versuche, beides angemessen einzubeziehen.

  • Vermeide es, dem einen oder dem anderen zu viel Gewicht beizumessen - vor allem, wenn dies das Publikum zu unausgewogenen Schlussfolgerungen verleitet.

Um Täter-Opfer-Umkehr zu vermeiden:

  • Achte darauf, dass der Schwerpunkt auf dem schädlichen Verhalten und auf der Person liegt, die dieses schädliche Verhalten ausübt - das ist höchstwahrscheinlich der Grund, warum das Ereignis eine Meldung wert ist. Eine Ausnahme von diesem Tipp ist, wenn es in der Geschichte um Strategien geht, die die Opfer anwenden, um mit den emotionalen, sozialen, beruflichen oder finanziellen Auswirkungen des Ereignisses umzugehen und/oder diese zu überwinden. In diesem Fall ist es wichtig, dass der Schwerpunkt auf den Lösungen und auf den Opfern liegt - wie die Betroffenen zu diesen Lösungen gekommen sind, welche konkreten Schritte sie unternommen haben (z. B. nützliche Kontakte und Verbindungen, bürokratischer Aufwand), auf welche Schwierigkeiten sie dabei gestoßen sein könnten usw.

  • Vermeide die Verwendung des Passivs, um die Handlung mit dem Opfer in Verbindung zu bringen - z. B.: "Der Immigrant wurde körperlich angegriffen" (lies Teil 2 dieser Artikelserie, um mehr über die Macht der Sprache zu erfahren);

  • Vereinfache die Erzählung nicht zu sehr - ziehe in Erwägung, Experten zu den psychologischen Prozessen zu befragen, die den Handlungen der beteiligten Personen zugrunde liegen könnten, sowie zu situationsbedingten Schwankungen.

Bleibe nicht in den Antworten auf "Warum"-Fragen stecken. Sobald eine Situation beschrieben wurde, gehe über die Erklärung hinaus und überlege ...

  • welche Faktoren die Opfer bei der Bewältigung der negativen Folgen des Ereignisses geschützt haben. Im Fall der Ermittlungen zum sexuellen Missbrauch von Kindern durch Angehörige der katholischen Kirche kannst Du beispielsweise nicht nur beschreiben, wie und warum der Missbrauch geschah und verschwiegen wurde, sondern auch die Opfer sinnvoll ansprechen und nach Faktoren fragen, die ihnen bei der Bewältigung des Erlebten geholfen haben. Diese Antworten können für andere Opfer sexuellen Missbrauchs, die Deine Geschichte lesen, einen großen Unterschied machen, da sie ihre Gefühle validieren und Anregungen für Bewältigungsstrategien liefern.

  • was man aus den Ausnahmen lernen kann. Mit anderen Worten: Was sind die Umstände, unter denen die Dinge gut laufen? Ein Beispiel: Da Unternehmen sich bemühen, Vielfalt und Integration zu verbessern, kann die Berichterstattung Good-Practice-Beispiele von Unternehmen hervorheben, die gute Arbeit bei der Einstellung, Förderung und Bindung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus marginalisiertem Gruppen leisten.

  • ob es ähnliche Situationen gibt wie die, über die Du berichtest, die sich für die Beteiligten als positiv herausgestellt haben. Wenn ja, solltest Du sie als Exempel für mögliche konstruktive Entwicklungen in Deinen Bericht aufnehmen - Geschichten über restorative Gerechtigkeit könnten ein gutes Beispiel sein.

Nach Ausnahmen fragen

Dieser Tipp orientiert sich am therapeutischen Rahmen der "lösungsfokussierten Kurztherapie", die von dem amerikanischen Psychotherapeuten Steve de Shazer entwickelt wurde (18). Neben anderen Techniken sucht die lösungsfokussierte Therapie nach Ausnahmen, um die Faktoren und Umstände zu identifizieren, die vorliegen, wenn das Problem einen nicht beeinträchtigt - Tage, an denen es der Person gut ging; Situationen, in denen das Paar nicht streitet; Arbeitstreffen, bei denen jemand nicht unter starken Ängsten leidet usw.

Literaturverzeichnis

  1. Heider, F. (1958). The psychology of interpersonal relations. John Wiley & Sons Inc.
  2. Vala, J., & Monteiro, M. B. (2004). Psicologia Social (6.ª ed.) [Social Psychology (6th ed.)]. Lisbon: Fundação Calouste Gulbenkian.
  3. Ross, L. (1977). The Intuitive Psychologist And His Shortcomings: Distortions in the Attribution Process. Advances in Experimental Social Psychology, 10, 173-220.
  4. Jones, E. E., & Harris, V. A. (1967). The Attribution of Attitudes. Journal of Experimental Social Psychology, 3(1), 1–24.
  5. Taylor, S.E., & Fiske, S.T. (1975). Point of view and perception so causality. Journal of Personality and Social Psychology, 32, 439-445.
  6. Mezulis, A. H., Abramson, L. Y., Hyde, J. S., & Hankin, B. L. (2004). Is There a Universal Positivity Bias in Attributions? A Meta-Analytic Review of Individual, Developmental, and Cultural Differences in the Self-Serving Attributional Bias. Psychological Bulletin, 130(5), 711–747.
  7. Alicke, M. D., & Sedikides, C. (Eds.). (2011). Handbook of self-enhancement and self-protection. The Guilford Press.
  8. Pettigrew, T. F. (1979). The ultimate attribution error: Extending Allport's cognitive analysis of prejudice. Personality and Social Psychology Bulletin, 5(4), 461–476.
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  10. Miller, J. G. (1984). Culture and the development of everyday social explanation. Journal of Personality and Social Psychology, 46(5), 961–978.
  11. Choi, I., Nisbett, R. E., & Norenzayan, A. (1999). Causal attribution across cultures: Variation and universality. Psychological Bulletin, 125(1), 47–63.
  12. Mezulis, A. H., Abramson, L. Y., Hyde, J. S., & Hankin, B. L. (2004). Is there a universal positivity bias in attributions? A meta-analytic review of individual, developmental, and cultural differences in the self-serving attributional bias. Psychological Bulletin, 130(5), 711-747.
  13. Janoff-Bulman, R., Timko, C., & Carli, L. L. (1985). Cognitive biases in blaming the victim. Journal of Experimental Social Psychology, 21(2), 161–177.
  14. Gilbert, D. T. (1989). Thinking lightly about others: Automatic components of the social inference process. In J. S. Uleman & J. A. Bargh (Eds.), Unintended thought (pp. 189–211). The Guilford Press.
  15. Lerner, M. J. (1980). The Belief in a Just World. Springer US.
  16. Lerner, M. J., & Miller, D. T. (1978). Just world research and the attribution process: Looking back and ahead. Psychological Bulletin, 85(5), 1030–1051.
  17. Bieneck, S., & Krahé, B. (2011). Blaming the Victim and Exonerating the Perpetrator in Cases of Rape and Robbery: Is There a Double Standard? Journal of Interpersonal Violence, 26(9), 1785–1797.
  18. de Shazer, S. (1985). Keys to solution in brief therapy. New York: W. W. Norton.

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